Kritscher, H. & J. Szilvassy: Zur Identifizierung des Mozartschädels. p. 1-139, 64 pls, 9 figs
1. Am 9. 2. 1989 wurde uns von Herrn OMed.-Rat Dr. Hans P. KASERER, Kuratoriumsmitglied der Internationalen Stiftung Mozarteum Salzburg, 5024 Salzburg, Schwarzstraße 26, der sogenannte Mozartschädel zur Identifizierung übergeben.
2. Gleichzeitig mit dem Schädel erhielten wir noch verschiedene Haarproben ausgefolgt, welche die Witwe MOZARTS bzw. deren Söhne der Stiftung übergeben haben.
3. Zusätzlich wurden uns von der Internationalen Stiftung Mozarteum diverse Unterlagen zur Verfügung gestellt, u. a. Gutachten bzw. Expertisen, welche die Stiftung im Laufe der Jahre über den Schädel eingeholt hat, bzw. wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit der Frage der Echtheit des Schädels oder seiner anatomischen Schilderung beschäftigen.
4. Die Internationale Stiftung Mozarteum stellte durch ihr Kuratoriumsmitglied, OMed.-Rat Dr. Hans P. KASERER, die Frage, ob forensische und anthropologische Untersuchungsmethoden neue Beiträge zur Identifizierung des Mozartschädels bringen könnten.
5. Wir erklärten Dr. KASERER, daß die einzige noch nicht durchgeführte Möglichkeit einer Identifizierung in dem Sinne, daß es sich tatsächlich um MOZARTS Schädel handelt, darin bestünde, den Versuch zu unternehmen, eine sogenannte Weichteilrekonstruktion durchzuführen. Sollte die Weichteilrekonstruktion mit authentischen Mozartportraits eine Übereinstimmung im Sinne der Ähnlichkeitsdiagnose ergeben, wäre der Beweis erbracht, daß es sich wirklich um den Schädel Mozarts handelt.
6. Die Geschichte des Schädels: Wie der Mozartschädel in den Besitz der Internationalen Stiftung Mozarteum kam, schildert ausführlich Joh. Ev. ENGL, Kaiserlicher Rat, Mozarteums-Sekretär, Administrator und Archivar 1906 in seiner Arbeit „Hyrtls Mozart-Schädel". Der Totengräber Josef ROTHMAYER vom St. Marxer Friedhof war im Besitze des Mozartschädels und schenkte diesen dem Jakob HYRTL, einem Bruder des berühmten Anatomen Josef HYRTL. Erst nach dem Tode von Jakob HYRTLS 1868 erbte Josef HYRTL den Schädel. Der Anatom HYRTL hatte niemals Zweifel an der Echtheit des Schädels. Auf der Stirn des Mozartschädels befestigte HYRTL einen orangefarbenen Zettel, auf den er schrieb: „Vom Todtengräber Jos. Rothmayer, welcher sich die Stelle merkte, wo er Mozarts Sarg einscharrte, bei der Leerung der Gemeingrube 1801 gerettet, und von seinem Nachfolger Jos. Radschopf, meinem Bruder Jacob geschenkt." 1842 Hyrtl
Die Echtheit der Handschrift HYRTLS wurde von seinen Schülern als authentisch bestätigt. Unmittelbar nach HYRTLS Tod war der Schädel 7 Jahre lang verschollen, bis er in der Hyrtlschen Waisenstiftung in Mödling auftauchte und schließlich im Jahre 1901 der Internationalen Stiftung Mozarteum übergeben wurde.
7. Bei der Untersuchung des Mozartschädels wurden von uns sämtliche morphologischen, metrischen, radiologischen, biostatistischen, fotografischen und perigraphischen (dioptrographischen) Untersuchungsmethoden, die in der Anthropologie und forensischen Medizin üblich sind, eingesetzt. Im einzelnen sind wir bei der Untersuchung des Schädels folgendermaßen vorgegangen:
8. Zunächst wurde die Calva (Schädel ohne Unterkiefer und Basis) auf ihren Erhaltungszustand untersucht. Dieser ist sehr gut, nur Teile der Orbitae (Augenhöhlen) sowie der Nasenmuscheln fehlen. Die äußere Knochenschicht (Lamina externa) ist glatt, glänzend und elfenbeinfarben, ohne Aufrauhung und Abmürbung, wie sie bei längerer Lagerung im Erdreich durch die Einwirkung pflanzlicher und tierischer Organismen sowie chemischer Vorgänge meist zustandekommt. Der Schädel allein kann keinen Aufschluß geben, aus welcher Zeit er stammt. Die Anwendung der in der Anthropologie und Gerichtsmedizin üblichen Methoden der Alters-und Geschlechtsdiagnose ergab, daß es sich beim Mozartschädel um einen Mann von 25 bis 40 Jahren handelt. Eine nähere Eingrenzung des individuellen Lebensalters ist nicht möglich, weil das postkraniale Skelett fehlt. Der Schädel wirkt eher zierlich und ist nicht robust gebaut.
Nach der gebräuchlichen Kategorienbildung für männliche Schädel ist der Schädel sehr kurz, breit und mittelhoch. Das Gesicht ist sehr niedrig und breitförmig, die Nase mitteiförmig, der Gaumen sehr kurz und breitförmig. Die Stime ist schmal; die Schädelkapazität ist mittelgroß.
Der Formbefund ergab:
Oberansicht: Wie der Umriß zeigt, ist der Mozartschädel in der Ansicht von oben breittrapezförmig; die Stirn erscheint bogig. Die seitliche Begrenzung des Stirn-Schläfen Abschnittes ist leicht eingezogen. Die Parietalhöcker sind schwach betont. Das Hinterhaupt ist kurz und nahezu gerade.
Seitenansicht: Schmale, sehr leicht gewellte Stirne, mäßig langer, bogiger Scheitel. Mäßig gewölbtes, nahezu flaches Hinterhaupt. Ganzprofilwinkel 84 (mesognath = mittel vorgebaut).
Vorderansicht: Extrem niedriges, breites Gesicht; Horizontalprofilierung des Obergesichtes schwach. Mäßig hohe und mäßig breite Augenhöhlen von rechteckiger Form, mäßige Schrägstellung nach unten. Niedrige, eher schmalförmige Nase. Nasenwurzel mäßig breit und kaum eingezogen.
Hinteransicht: Umriß flachkuppelförmig, nach unten schwach konvergierend; niedriger, flacher Scheitel, Parietalhöcker schwach betont.
Der Populationsvergleich ergab, dass der vorliegende Schädel der alpiniden Bevölkerung zuzuordnen ist. Gruppen vergleiche wurden ausführlichst in Form von Abweichungsdiagrammen angestellt. Die epigenetischen Merkmale am Schädel, das sind anatomische Varianten im Knochenbau, können im Sinne einer Identifikation nur so weit gesehen werden, daß es sich um einen grazilen, männlichen Schädel ohne embryonale und fetale Wachstumsveränderungen handelt.
Der radiologische Befund wurde in vielfacher Hinsicht beurteilt. Zunächst wurden die Nebenhöhlen untersucht, das sind die Stirnhöhlen, Augenhöhlen, die Nasenhöhle und die Oberkieferhöhlen. Diese Merkmale wurden morphologisch und metrisch festgehalten. Dabei konnte festgestellt werden, daß auch die Nebenhöhlen beim Mozartschädel im Variationsbereich der alpiniden Populationen liegen; krankhafte Veränderungen waren nicht zu konstatieren. Am 1. linken oberen Molaren im hinteren Lingualbereich ergibt sich morphologisch das Bild einer kariösen Veränderung. Auf dem Röntgenbild ist diese Läsion deutlich sichtbar, die Pulpa ist eröffnet. Allerdings ist kein infektiöser Herd an der Spitze der Zahnwurzel feststellbar. An der linken Schläfenseite kann ein verheiltes Bruchgeschehen beobachtet werden, das selbstverständlich auch an der Innenseite des Schädels seine Spuren hinterließ. Dieses Bruchgeschehen wurde radiologisch, computertomografisch sowie pathomorphologisch untersucht, um seine mögliche Entstehung und die Folgen für die Person zu diskutieren. Die röntgenologische und computertomografische Untersuchung des Schädels zeigt an der fraglichen Stelle eine unregelmäßige Tabula interna und externa, teilweise mit Verschiebung der Diploe, was für das typische Bild einer Schädelfraktur spricht. Aufgrund der unregelmäßigen Knochenstrukturen im Frakturbereich muß angenommen werden, daß es sich um eine viele Jahre lang zurückliegende Fraktur handelt. Die Verdünnung der Schädelkapsel im Bereich der Fraktur, wie sie bei der computertomografischen Auswertung feststellbar ist, liefert Hinweise auf ein lokales Hämatom.
Mittels eines Schädelausgusses konnte der Gefäßverlauf der Arteria meningea media dargestellt werden. Dabei zeigt sich in der Ansicht von der rechten Seite das übliche Bild des Gefäßverlaufes ohne Störungen, die Zeichnung der linken Hälfte bietet jedoch das Bild eines gestörten Gefäßverlaufes im Bereich des traumatischen Geschehens. Im Störbereich mussten die Gefäße einen geänderten Verlauf nehmen, sich wieder reorganisieren, um eine Versorgung aufrecht zu erhalten. Die von den Autoren PUECH et al. und TICHY behauptete sogenannte Kraniostenose, hervorgerufen durch ein vorzeitiges Verknöchern der Stirnnaht, konnte nicht nachgewiesen werden, ganz im Gegenteil. Der Schädel zeigt keine angeborenen pathologischen Veränderungen im Sinne einer Kraniostenose, die den Schädel kielförmig verformt erscheinen lässt.
Wie in den vorangegangenen Kapiteln schon ausführlich besprochen, wurden bereits sehr viele Versuche unternommen, die Echtheit des Mozartschädels unter Beweis zu stellen. Einerseits wurden metrische und morphologische Merkmale herangezogen und Vergleiche mit den Mozartportraits angestellt, andererseits haben wieder weitere Autoren versucht, mit ihrer Ansicht nach pathologischen Merkmalen die Echtheit des Mozartschädels zu beweisen.
9. Die wichtigste und einzig beweiskräftige Aussage über die Identität des Schädels wurde aber noch von keinem Autor versucht, nämlich die Herstellung einer Weichteilrekonstruktion.
Die Geschichte der Weichteilrekonstruktion beginnt mit dem russischen Anthropologen GERASSIMOW, der an dieses Verfahren jedoch noch nicht mit den heutigen statistischen Methoden herangegangen ist, sondern aufgrund seiner hohen, bildhauerischen Begabung künstlerische Elemente einbrachte. GERASSIMOW ging auch sehr stark von anatomischen Gesichtspunkten aus, indem er zunächst die Form und den Verlauf verschiedener Gesichtsmuskeln am Schädel auftrug und ihm dann erst das letzte morphologische Erscheinungsbild gab.
Die moderne anthropologische und kriminalistische Literatur versucht die Weichteilrekonstruktion aufgrund anderer Gesichtspunkte. In den letzten Jahren ist eine Fülle wissenschaftlicher Arbeiten erschienen, und in allen werden neue Vorschläge gebracht, wie solche Weichteilrekonstruktionen in Angriff genommen werden sollten. Alle Autoren haben ihre Ergebnisse entweder durch Untersuchungen an Obduktionsleichen gewonnen oder durch Röntgenaufnahmen bzw. Ultraschall ermittelt. Im einzelnen gehen dann die verschiedenen Autoren in ihren Vorschlägen so vor, dass sie definierte anthropologische Meßpunkte am Schädel mit Millimeterangaben versehen. Auf diesen Punkten werden zunächst Distanzhölzchen aufgebracht und anschließend diese verschieden hohen Punkte durch eine Streichmasse mit ca. 1 cm breiten Streifen miteinander verbunden, so dass diese Verbindungen untereinander gewissermaßen das Erscheinungsbild eines gotischen Netzgewölbes bieten. Da die Distanzhölzchen verschiedene Höhen besitzen, weisen die aufgebrachten Streifen im Sagittalschnitt verschiedene Weichteildicken auf. Sodann werden die Flächen zwischen den Streifen mit der Streichmasse in gleicher Ebene ausgefüllt. Das Ergebnis ist dann das lebendige, vermutete Aussehen einer bestimmten Person im Alter von 20-25 Jahren, da eine altersmäßige Veränderung durch Falten und Fettpolsterungen in keine Weichteilrekonstruktion eingehen kann.
Bei der gegenständlichen erstmaligen Weichteilrekonstruktion des Mozartschädels wurde nicht nach dem Vorschlag eines Autoren vorgegangen, sondern wir haben die uns in der Literatur zur Verfügung stehenden Vorschläge auf ihre Tauglichkeit hin berücksichtigt und - insoferne sie brauchbar waren - in die Rekonstruktion miteinbezogen.
Manche dieser in der Literatur gemachten Vorschläge sind in die Praxis nur sehr schwer umzusetzen; beispielsweise werden Distanzen von Zehntelmillimeter angegeben (z. B. 1,2 mm). Diese Mittelwertangaben sind aus statistischen Berechnungen entstanden.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass die Rekonstruktion nicht nur auf theoretischen Grundlagen basiert, sondern es muss auch sehr viel praktische Erfahrung eingebracht werden. Aus diesem Grunde haben wir selber aus Studien an Sammlungen, die am Institut für Gerichtliche Medizin Wien angelegt sind, die praktische Erfahrung gewonnen, dass an bestimmten, anthropologisch definierten Meßpunkten nur eine sehr geringfügige Variation der Weichteildicke vorhanden ist und man das Auslangen mit Millimeterangaben ohne Zehntelmillimeter findet.
Aus all diesen Überlegungen und unseren praktischen Erfahrungen kann gesagt werden, dass eine Weichteilrekonstruktion nur das annähernde Erscheinungsbild eines Menschen ergibt.
Im Einzelnen sind wir bei der Weichteilrekonstruktion am Mozartschädel nach unseren Methoden folgendermaßen vorgegangen. Zunächst wurde ein Gipsabguss vom Originalschädel hergestellt. Dann wurde der fehlende Unterkiefer methodisch rekonstruiert und schließlich an diesem kompletten Schädel mit der Rekonstruktion begonnen.
Für die Rekonstruktion der Ohren wurden die statistischen Maße eines Durchschnittsösterreichers herangezogen. Die größte Breite der knöchernen Nasenhöhle beträgt etwa 3/5 der Nasenflügelbreite. Der Augapfel liegt im Zentrum der Augenhöhlen (Orbitae) mit der Pupille in der Mitte. Mit senkrecht gezogenen Linien von der Pupillenmitte abwärts ergibt sich ungefähr die Mundbreite. Bei der Rekonstruktion des Haarkleides haben wir ein natürliches Haarkleid in seinem üblichen Verlauf angenommen, wie es im Durchschnitt bei einem jüngeren Menschen vorhanden ist. Ein auf dem Sagittalschnitt nachgezeichnetes Profil ergab die Form der Nase und der Lippen.
So entstand das Erscheinungsbild unserer Weichteilrekonstruktion, die nun für Vergleichszwecke mit authentischen Mozartportraits im Hinblick auf Identität verwendet werden konnte.
Von der Internationalen Stiftung Mozarteum wurden uns Fotos von authentischen Mozartportraits in der folgenden Wertigkeit vorgeschlagen: die Silberstiftzeichnung von Doris STOCK, die MOZART in einer exakten, anthropologisch orientierten Profilansicht zeigt; als ebenfalls ausgezeichnetes Mozartportrait wurde das Familienbild von J. N. della CROCE empfohlen; Mozart war damals 24 Jahre alt; als drittes authentisches Bild wird das berühmte LANGE-Portrait angesehen.
Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln ausführlichst diskutiert, ist ein Aufschluss über die Echtheit des Mozartschädels nur auf dem Wege einer Ähnlichkeitsdiagnose im Sinne der Identität von Weichteilrekonstruktion und Portraits zu gewinnen. Es kann angenommen werden, dass die Portraitkünstler der damaligen Zeit die Fähigkeit hatten, das natürliche,Erscheinungsbild eines Menschen, den sie portraitierten, exakt wiederzugeben. Dass man bei bedeutenden Persönlichkeiten dieses Erscheinungsbild etwas idealisiert hat, scheint vorstellbar. Dies beweisen unserer Ansicht nach die drei wichtigsten Mozartdarstellungen. Das LANGE-Portrait ist idealisiert und bis zu einem gewissen Grad auch das die Zeichnung von D. STOCK. Den Beweis liefert das Familienbild von della CROCE. An diesem Bild lässt sich exakt ablesen, welche Merkmale des Kopfes und Gesichtes MOZART auf dem mütterlichen und welche er auf dem väterlichen Erbwege erhalten hat.
Bei der Ähnlichkeitsdiagnose mit Mitteln der forensischen Anthropologie hat sich beim CROCE-Familienbild ergeben, dass MOZART die Merkmale des Kopfes von seinem Vater geerbt hat, die Merkmale der Stirne und die Gesichtsmerkmale von seiner Mutter. In Bezug auf die Merkmale der Augengegend herrscht zwar die Mutter-Kind-Ähnlichkeit vor, doch sind auch einige Ähnlichkeiten mit dem Vater feststellbar. Die Merkmale der Nasengegend hat MOZART völlig von seiner Mutter geerbt, während er die Merkmale der Mund- und Kinngegend auf dem väterlichen Erbwege erhielt.
Das Familienbild zeigt die typische Verteilung der Erbmerkmale, wie es in einer gesicherten Familie vom genetischen Standpunkt aus üblich ist. Einmal hat das Kind z. B. die Mund- und Kinngegend vom Vater geerbt, ein anderes Mal von der Mutter.
Dass diese hier am Familienbild so deutlich in Erscheinung tretende Verteilung der Erbmerkmale nachgewiesen werden kann, liefert den Beweis, daß dieses Bild MOZART am authentischesten von allen Portraits darstellt. Dieses Familienbild zeigt Mozart als nicht besonders schönen Menschen. Dies stimmt mit den Aussagen jener Autoren überein, die MOZARTS Erscheinungsbild schildern.
Das LANGE-Portrait scheint MOZART etwas idealisiert zu haben, und deshalb wurde für unsere Vergleichsanalysen zwischen Weichteilrekonstruktion und Portraits nur das Familienbild von della CROCE und die Silberstiftzeichnung von D. STOCK herangezogen. Letztere ist für eine Identitätsuntersuchung auch deshalb so besonders geeignet, weil sie MOZART in einer anthropologisch definierten Orientierung, nämlich in einer exakten Profildarstellung, zeigt.Das Ergebnis aller Vergleichsanalysen zwischen der Weichteilrekonstruktion im Profil und der Silberstiftzeichnung im Profil zeigt völlige Identität. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass wir mit dem vorliegenden Schädel tatsächlich jenen des Musikgenies MOZARTS vor uns haben könnten.
Der Vergleich der Weichteilrekonstruktion im sogenannten Halbprofil mit dem MozART-Familienbild von CROCE zeigt ebenfalls eine so hochgradige Identität, dass nur ein einziger Schluss zulässig ist und zwar, dass es sich um den Schädel MOZARTS handelt könnte.
10. Nach der Weichteilrekonstruktion wurde von uns auch noch ein fotografischer Identitätsvergleich, wie es in der Literatur vorgeschlagen wird, angestellt. Dabei wurde ein Bild des Mozartschädels bzw. unserer Weichteilrekonstruktion in das authentische Mozartportrait der Profilansicht von D. STOCK hineinprojiziert. Ganz allgemein gesprochen gilt in der Kriminalistik der Grundsatz: eine hohe Deckungsgleichheit zwischen Schädel und Portrait ist der Beweis für Identität. Die von uns durchgeführten „Superprojektionen" zeigen, dass zwischen der Zeichnung von D. STOCK, den Konturen des Mozartschädels und der Weichteilrekonstruktion ein so hoher Übereinstimmungsgrad in allen Teilbereichen feststellbar ist, wie es nur bei ein und derselben Person der Fall sein kann.
Die kriminalistische und gerichtsmedizinische Literatur sagt, dass nur dann eine Übereinstimmung zwischen einem Portrait bzw. einer fotografischen Aufnahme und einem Totenschädel gegeben ist, wenn die Proportionen von Portrait und Schädel annähernd gleich sind, das heißt, dass wir es mit einer Person zu tun haben.
11. Der dritte Versuch einer Identitätsbestimmung wurde mit Hilfe perigraphischer (dioptrographischer) Methoden unternommen. Mit dieser zeichnerischen Methode, welche in einem vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde, kann das Erscheinungsbild eines Menschen nach einem Schädel in der Ansicht von vorne und im Profil rekonstruiert werden. Auch aus dieser perigraphischen bzw. dioptrographischen Rekonstruktion resultiert ein Erscheinungsbild, das jenen der Mozartportraits sehr ähnlich ist.
12. Die Internationale Stiftung Mozarteum übergab uns vier verschiedene Haarproben. Diese Haarproben befinden sich unter Glas und wurden von uns mit M I (MOZART I), M II (MOZART II), M Hire und M Ulli (MOZART III rechts und MOZART III links) bezeichnet.
Die Haarprobe MI befindet sich unter Glas, ähnlich wie in einem Diarahmen; die Größe beträgt 8,6 cm x 9,8 cm. Die Haare sind verschlungen zusammengeknotet. Unter der Haarprobe befindet sich eine Inschrift: „Wolfgang Amadeus Mozart's Haare ..halten von Frau Baroni-Cavalcabo."
Die Haarprobe MII ist in derselben Art und Weise wie MI unter Glas in einer Größe von 7,8 cm x 10,8 cm. Unter dieser Haarprobe befindet sich in französischer Sprache der Vermerk: „Le cheveux du célèbre compositeur W. A. MOZART" (Die Haare des berühmten Komponisten W. A. MOZART).
In einem vergoldeten Bildrahmen mit einem Bildausschnitt von 14,6 cm x 19,2 cm wird eine Lithographie MOZARTS aufbewahrt, die ihn im Halbprofil zeigt. Über dem Kopf links und rechts ist jeweils eine Haarprobe zwischen Glas und Bild gepresst. Die Haarprobe links wurde von uns mit M III li, jene rechts mit M III re bezeichnet. Auf dem Bild ist zu lesen: „Mozart. Francesco Carmagriola +1841 25. Maggio".
Von diesen kostbaren Haarproben wurden nur die zur Untersuchung absolut notwendigen Haare entnommen, wobei darauf Bedacht genommen worden ist, die kollektierten Haare in ihrer ursprünglichen Form zu erhalten. Durch die makroskopischen und mikroskopischen Haaruntersuchungen können in einem so gelagerten Fall zwei Fragen beantwortet werden: Einmal kann das Alter der Haare (Liegezeit) annähernd bestimmt werden, z.B. sind die untersuchten Haare etwa 100,200 oder 1000 Jahre alt. Zum anderen kann festgestellt werden, ob alle Proben von ein und derselben Person stammen oder von mehreren Personen. Makroskopisch wurde die Farbe des Haares beurteilt. Bei der mikroskopischen Haaruntersuchung wurden zunächst Längsdurchsichtspräparate hergestellt, bei welchen verschiedene Marker wie Pigmentform, Markstrangtypus und Cuticula beobachtet wurden. Im mikroskopischen Haarquerschnitt wurden ebenfalls zahlreiche morphologische und metrische Daten sowie die Sprödigkeit der Haare, die einen Rückschluss auf das absolute Alter des Haares zulässt, erhoben. Alle diese Untersuchungen lassen den Schluss zu, dass es sich um Haarproben zweier Personen handelt und dass die Haarproben bestimmt ein absolutes Alter von etwa 200 Jahren haben. Die Haarprobe M I stammt von einer Person, die drei anderen von einer anderen Person. Für die Frage der Authentizität der Mozarthaare könnte man sich vorstellen, dass es sich bei den drei identen Proben um MOZARTS Haar handelt, da es schwer vorstellbar ist, daß verschiedene Haare eine solche Ähnlichkeit zeigen. Bei der singulären Haarprobe MI könnte es sich um eine Haarprobe von MOZARTS Perücke handeln, weil diese Haarprobe aus besonders dicken Haaren besteht (Mittelwert für die Haarquerschnittsfläche der österreichischen männlichen Bevölkerung 3336 µ2, Probe M I 4333 µ2). Für die Herstellung einer Perücke werden im Allgemeinen sehr dicke Haare genommen, wie sie jene von Probe M I darstellen.
RESÜMEE
Zusammenfassend kommen wir aufgrund aller durchgeführten Untersuchungen und der von uns angewandten Methoden zu dem Schlüsse, daß es sich bei dem von der ISM zur Verfügung gestellten Schädel um jenen von Wolfgang Amadeus MOZART handeln müßte, soferne man die naturwissenschaftliche Beweisführung als Methode akzeptiert.
Summary
On February 9th, 1989 Dr. Hans P. Kaserer (member of the board of trusties) from the International Mozarteum Foundation Salzburg, handed over the so called Mozart skull to the experts for identification, as well as some hair samples, which were derived from Mozart's widow. Furthermore the International Foundation Mozarteum placed a number of documents at the expert's disposal, such as expert opinions on the skull, which the foundation has asked for in the course of time and scientific investigations in respect to the authenticity of this skull and his anatomic description.
The International Foundation Mozarteum is interested to know if forensic and anthropological methods could bring new results to identify the skull of Mozart. The experts informed Dr. Kaserer, that the one and only possibility for a cephalic identification of the skull of Mozart is the procedure of a facial reconstruction. In case of full conformity of the authentic portrait of Mozart and the facial reconstruction in sense of analogy the proof of the authenticity of the Mozart skull is given. History of the skull: The publication „Hyrtl's Mozart-Schädel" by Joh. Ev. Engl, secretary of the Mozarteum, informs how the International Foundation Mozarteum got the skull of Mozart.
Josef Rothmayer a grave-digger, who owned the skull of Mozart gave it to Jakob Hyrtl, the brother of the famous anatomist Josef Hyrtl. After the death of Jakob Hyrtl in 1868, Josef came into the possession of the skull. He never had any doubts about the authenticity of it. Hyrtl placed a label with the following words:
Vom Todtengräber Jos. Rothmayer, welcher sich die Stelle merkte, wo er Mozarts Schädel einscharrte, bei der Leerung der Gemeingrube 1801 gerettet, und von seinem Nachfolger Jos. Radschopf, meinem Bruder Jacob geschenkt." 1842 Hyrtl
Hyrtl's students confirmed the authenticity of his handwriting. Shortly after Hyrtl's death, the skull disappeared for 7 years until it was seen again in Hyrtl's orphanage in Mödling. Finally it was given to the International Foundation Mozarteum in Salzburg in 1901. During our scientific investigations of Mozart's skull we used all morphological, metrical, radiological, biostatical, photographic and drawing methods, which are known in the anthropological and forensic medicine. Applying the traditional methods of anthropology and forensic medicine on age and sex diagnosis the skull represents a man of 25 to 40 years. A more precise definition of individual age is not possible, because of the missing post-cranium. The skull looks relatively gracile, it's construction is not robust. Due to the traditional categorisation for male skulls the skull is short, broad and moderately high. The face is low and broad, the nose medium long, the palate is very short and broad. The general impression is that it is a skull with medium broad vault and a rather small forehead. The comparison of population proves that the skull belongs to the alpine population. Detailed comparisons of race were made with the help of deviate diagrams.
The epigenetic traits of the human skull are anatomic variants of the human skeleton. Regarding the identification it can only be said that they show a gracile male skull without embryonic and foetal growth variations.
On the left temple a healed fracture process may be seen which left traces also on the interior side of the skull. Radiological and computertomographic investigations on this fracture were carried out in order to discuss its aetiology. With the cast of the cavity of the cavum cranii the run of the vessels of the arteria meningea media could be demonstrated. The right view shows the normal route of the blood vessels without lesions, but the left view shows the vessels with lesions in the area of a traumatic event. Caused by the injury the vessels were forced to change their way. The most important and convincing statement for cephalic identification is the restoration of physiognomy, which none of the authors ever tried.
We did not follow the proposal of just one author for this first facial reconstruction of Mozart's skull, but based on specific literature we took useful proposals, into consideration and integrated them - as far as suitable - in the reconstruction.
It should be mentioned that beside a theoretical basis enormous practical experience was necessary. Using the collections of the Institut of Forensic Medicine in Vienna we made the experience, that there is only a slight variation of tissuethickness at certain points of anthropological measurements and therefore data in tenth of millimeters are sufficient.
Facial reconstruction is a tricky thing to achieve, for the skull does not give all the clues it should, only a rather relative likeness may be achieved. We will now describe the facial reconstruction based on our methods. First of all a plaster cast of the original skull was made, then the skull had to be completed by reconstructing the missing mandible. After a series of cranial measurements, the facial reconstruction could be started.
The measurements of an average Austrian were taken for the reconstruction of the ears. The breadth of the nasal apertura piriformis is about 3/5 of the nose breadth. The eyeball is centered in the orbit with the pupil in the middle. By droping a perpendicular from the pupil center of the eye the prox. mouthbreadth can be established. Reconstructing the hair style we took the most frequent form, which is hair with a moderately deep wave) A cranial drawing based on the sagittal section shows the shape of the profile with nose and lips.
By this process the restoration of the physiognomy was established and could be used for comparison with authentic Mozart portraits.
The International Foundation Mozarteum recommanded the following photographs of authentical Mozart portraits: The drawing by Doris Stock, showing Mozart in an anthropological lateral view; the excellent family portrait of Mozart by J. N. della Croce, showing Mozart at the age of 24 years; the third portrait is the famous portrait by Lange. As already mentioned before, only a facial reconstruction based on our methods can provide essential data on the authenticity of the skull by comparison of reconstruction and portraits of Mozart. We presume that the portraits of the artists of that time were very similar to the person. It's also possible that the artists „cheated" a bit here and there to flatter the famous person, which the three most important Mozart portraits prove.
The Lange portrait is idealized, as well as the drawing by D. Stock. As a real proof seems the family portrait by della Croce. This portrait is a good indicator of the epigenetic traits and shows exactly the hereditary characters, maternal and paternal.
The cephalic identification based on forensic anthropology regarding the Croce family portrait reveals that the characters of the head of Mozart are paternal, those of the face and forehead are maternal. Regarding the characters of the eyes a mother-child-identification is predominant, but also a paternal identification may be seen. The characters of the nose are identical with those of his mother, whereas the characters of mouth and chin are paternal. This family portrait demonstrates the typical epigenetic traits of a solid family.
The frequency of the epigenetic traits seen on the family portrait proves that this portrait is the most authentic one. On this family portrait Mozart does not look very handsome, which goes conform with statements of those authors describing the appearance of Mozart. The portrait by Lange seems to be flattering and therefore does not help for a comparison analysis of the facial reconstruction with the portrait. Only the family portrait by della Croce and the drawing by D. Stock can be used. The second one is more suitable for an anthropological identification because it shows Mozart in profile.
The result of all comparisons between the facial reconstruction in lateral view and the drawing in profile shows the complete identity. Therefore the conclusion is that this skull could be the one of the unique music-genius Mozart.
Also the comparison of the facial reconstruction in demi lateral view with the family portrait of Mozart by Croce shows an identity to a high degree and is therefore evident to us that it could be the skull of Mozart. The next step after the facial reconstruction was a comparison of the skull with the photography as mentioned in specific literature. For this purpose a picture of the Mozart skull respectively the facial reconstruction was projected into the portrait of Mozart by D. Stock.
In forensic medicine it is accepted that a high conformity of skull and photography is evidence of positive identification. Our „superimpositions" show a high conformity of the drawing by D. Stock, the contours of the Mozart skull and the facial reconstruction, which only can occur in the case of the same single person.
There is a third method which we discussed already before that's the drawing method for identification. With this method the appearance of a person can be reconstructed after the orientation of the skull in facial and profile view. With the drawing method a picture was achieved very similar to those of the Mozart portrait.
Macroscopic and microscopic investigations of head hair provide essential data on the age assessment of the hair, i. e. the specific head hair is 100, 200 or 1000 years old and it also can be proved if all hair samples are from one single person.
By macroscopic studies the colour of the head hair was evaluated. By examining transparent longitudinal sections various markers like form of pigment, medullary type and cuticle could be observed. Microscopic cross sections also revealed numerous morphologic and metric data, as coarseness of head hair, and yielded conclusive results with respect to the age.
All those investigations gave evidence that the hair samples were derived from two individuals deceased about 200 years ago. One Sample belonged to one person and the three other samples to another one.
With regard to the authenticity of Mozart's head hair it could be taken for granted that the three identical samples belong to Mozart, as it is hardly visible that different hair samples could show such a congruence.